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Es könnte alles so schön sein – 28.06.2025

Eigentlich geht es uns doch gut. Wenn wir uns über die schlechten Zeiten beklagen, verlieren wir leicht aus dem Blick, dass wir auf recht hohem Niveau jammern. Wer sich beschwert, dass man bei uns seine Meinung nicht frei äußern dürfe, hat noch nie in einer Diktatur gelebt - oder hat längst vergessen, wie das war. Persönliche Freiheit, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit ist ein hohes Gut in unserem Land. Man muss allerdings Widersprüche aushalten können. Menschen haben unterschiedliche Ansichten. Es geht nicht gleich die Welt unter, wenn jemand anderer Meinung ist als ich. Mir scheint, dass wir mehr und mehr verlernen, uns auszutauschen, ohne gleich an die Decke zu gehen. Mit Grausen erinnere ich mich an Bilder von Demonstrationen, in denen Menschen mit hassverzerrtem Gesicht in laufende Kameras schreien: „Haut doch ab, ihr Lügenpresse!“ Oder gleich mit Fäusten auf den Kameramann losgehen. Von den Beiträgen in den sozialen Medien ganz zu schweigen, die andere hemmungslos beschimpfen und bedrohen. Woher kommt diese Wut? 

Natürlich geht es nicht allen Menschen gleich gut. Es ist verständlich, wenn sich jemand abgehängt fühlt, der zu wenig Anteil hat am guten Leben. Wer bei der Tafel oder in einer Beratungsstelle arbeitet, sieht viele Menschen, bei denen es vorne und hinten nicht reicht. Das ist bitter, und ihre Enttäuschung ist nachvollziehbar. Es geht eben doch nicht allen gut. Und in sozialer Ungleichheit steckt jede Menge Sprengstoff. Auch in der Angst, die allmählich zunimmt. Neben Freiheit ist auch Frieden ein hohes Gut. Noch haben wir den hier. Aber wie lange noch? Könnte es bald damit vorbei sein, nach 80 Jahren Frieden, wachsendem Wohlstand, großer Sicherheit in unserem Land? Verunsichert blicken wir in die gar nicht so fernen Länder, in denen Krieg tobt. Es scheinen stetig mehr zu werden. Verglichen mit den Menschen dort geht es uns wirklich gut! Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es sein muss, von einem Tag zum anderen zu leben, stets in der Angst, dass morgen nichts mehr so sein könnte, wie es war.

Ich bin dankbar dafür, dass ich so nicht leben muss. Ich bin auch dankbar, dass  viele Menschen bei uns einen Ort gefunden haben, an dem sie sich sicherer fühlen als derzeit in ihrer Heimat. Aber ich bin nicht zufrieden. Es reicht mir nicht, dass es mir „eigentlich ganz gut“ geht, während anderen das nicht gelingt. Solange es nicht allen gut geht, kann ich mich nicht zurücklehnen. Utopisch? Ja, vielleicht. Aber ich bin Christin. Und ich habe diese Utopie vor Augen: Gottes Frieden, der allen Menschen gilt. Einen Frieden, in dem es keine Gewinner und Verlierer gibt. In dem die Gegensätze versöhnt sind. Die Menschen einander leben lassen. Und Gott in unserer Mitte ist. „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch,“ sagt Jesus. Und ich weiß: Diesen Frieden gibt es schon. Er ist da, wo einer den anderen fragt: Warum hast du so viel Wut im Bauch? Können wir nicht gemeinsam etwas dagegen tun? Wo die eine der anderen erst einmal in Ruhe zuhört. Da muss niemand brüllen und wird trotzdem verstanden. In kleinen Gesten ist der Frieden da, in der ausgestreckten Hand, im freundlichen Wort. In dem Mut, sich vor andere zu stellen, die bedroht und beschimpft werden, und zu zeigen: Du bist hier nicht allein. Das gibt es alles schon, und es kann jederzeit mehr werden. In der Tat: Es könnte alles so schön sein! Und warum nicht? Utopisch, ja. Aber immerhin ist es Jesus selbst, der uns diese Utopie vorgelebt hat und uns ermutigt, keine Angst davor zu haben. Es ist Gott selbst, der den Frieden zu uns bringt. Diesem Frieden traue ich alles zu! Und mir selbst eine ganze Menge.

 

Ulrike Sundermann, Backemoor-Breinermoor