Der Tag begann für uns um 8:00 Uhr mit dem Morgengebet in der Neustädter Kirche. Nur einige Kirchentagsbesucher hatten sich an diesem sonnigen Morgen eingefunden, sodass die 15minütige Andacht in einer ruhigen, fast intimen Atmosphäre stattfand.
Um 9:30 Uhr stand die Bibelarbeit mit Kirsten Fehrs, der neuen Ratsvorsitzenden der EKD, und dem Publizisten Heribert Prantl in der Marktkirche auf dem Programm. Viele Besucher hatten sich jedoch bereits deutlich früher in der Kirche eingefunden – offenbar waren viele direkt nach dem dortigen Morgengebet geblieben. Die Kirche war bereits eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn vollständig gefüllt. Eine lange Warteschlange bildete sich vor dem Eingang, viele mussten sich enttäuscht nach Alternativen umsehen.
Bibelarbeit mit Bischöfin Mariann E. Budde (Washington DC)
Eine dieser Alternativen war die Bibelarbeit mit Bischöfin Mariann Edgar Budde aus Washington, D.C., die als Livestream übertragen wurde. Da die Zeit nicht mehr ausreichte, um rechtzeitig zur Messe zu gelangen, entschied man sich für die digitale Teilnahme. Musikalisch wurde die Veranstaltung von Henrieke Kuhn am Flügel begleitet, die mit einigen Liedern einen feierlichen Rahmen schuf.
Die Bischöfin wurde mit stehenden Ovationen und langem Applaus von den rund 3.000 anwesenden Gästen begrüßt. Internationale Aufmerksamkeit erlangte sie durch ihre eindrucksvolle Predigt zur Amtseinführung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump, in der sie eindringlich Mitgefühl und Barmherzigkeit gegenüber benachteiligten Gruppen forderte – darunter Migranten und Transgender-Personen.
Kristin Jahn, Generalsekretärin des Kirchentags, begrüßte Budde herzlich und würdigte ihren „mutigen und zugleich sanftmütigen“ Einsatz. Jahn hob hervor, wie Budde mit klarer Haltung, aber ohne Ausgrenzung, in einer polarisierenden Zeit ein Vorbild christlicher Verkündigung sei. Sie erinnerte daran, dass Buddes Worte Millionen Menschen weltweit bewegt und inspiriert hätten.
Die Bibelarbeit der Bischöfin stand unter dem Motto „Mut zum Aufbruch“ und nahm Bezug auf Matthäus 28, den Bericht über die Auferstehung Jesu. Budde betonte die zentrale Rolle der Frauen in der frühen Christenheit – auch sie seien Jünger gewesen. Unter langanhaltendem Applaus sprach sie über die Kraft des christlichen Glaubens, der es ermögliche, den Weg von Trauer zur Freude, von Angst zu Mut zu gehen.
In einer Zeit, in der manche Stimmen – wie etwa Bundestagspräsidentin Klöckner – eine zurückhaltendere politische Haltung der Kirchen fordern, setzte die Veranstaltung ein deutliches Zeichen: Der Kirchentag versteht sich als Raum des öffentlichen, auch politischen Glaubenszeugnisses.
Bischöfin Budde schloss ihre Auslegung mit einem leidenschaftlichen Appell an den Glauben als Quelle von Hoffnung und Veränderung. Ihre Worte hallten nach – nicht nur in der Messehalle, sondern sicherlich auch in den Herzen vieler Zuhörer.
Bericht: Podiumsgespräch „Klimapolitik zwischen Technik und Genügsamkeit – Die sozialökologische Transformation auf dem Prüfstand“
Klimapolitik zwischen Technik und Genügsamkeit
Im Rahmen des Veranstaltungsprogramms in Halle 2 fand ein hochkarätig besetztes Podiumsgespräch zur aktuellen Klimapolitik und ihren Herausforderungen statt. Unter dem Titel „Klimapolitik zwischen Technik und Genügsamkeit“ diskutierten Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Industrie, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft über Wege und Zielkonflikte der sozialökologischen Transformation. Die Veranstaltung wurde moderiert von Anja Heyde, Journalistin aus Berlin.
Nach einem einführenden Impuls durch Mona Neubaur MdL, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, entwickelte sich eine engagierte Debatte mit folgenden Teilnehmern auf dem Podium:
- Francesco Grioli, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstandes der IG BCE, Hannover
- Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Berlin
- Prof. Dr. Wolfgang Lucht, Erdsystemanalytiker am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
- Luisa Neubauer, Klimaaktivistin und Autorin, Hamburg
Trotz teilweise kontroverser Sichtweisen zeigte sich in der Diskussion eine grundsätzliche Einigkeit über die Dringlichkeit von Klimaschutzmaßnahmen. Deutlich wurde jedoch auch, dass die Wege dorthin sehr unterschiedlich eingeschätzt werden: Während Wissenschaft und Zivilgesellschaft – vertreten durch Prof. Lucht und Luisa Neubauer – einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wertewandel einforderten und dabei auch das Publikum wiederholt auf ihrer Seite wussten, betonten Ministerin Neubaur sowie die Vertreter von Industrie und Gewerkschaft die Bedeutung konkreter, praktikabler Schritte.
Mona Neubaur unterstrich die Verantwortung der Politik, konkrete Lösungen im Spannungsfeld zwischen ökologischer Notwendigkeit und wirtschaftlicher Realität umzusetzen. Holger Lösch verwies auf die Bereitschaft der Industrie, Klimaschutz voranzutreiben, betonte jedoch die Bedeutung von Wachstum als weiterhin zentrales Ziel. Dieser Punkt wurde insbesondere von der zivilgesellschaftlichen Seite kritisch hinterfragt. Francesco Grioli hob die Rolle der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Transformation hervor und forderte, deren Perspektiven nicht aus dem Blick zu verlieren.
Ein zentrales Thema war auch die Rolle der Kirche. Mehrfach wurde betont, dass sie als moralische Instanz in der Gesellschaft eine bedeutende Stimme für eine gerechtere, klimafreundlichere Zukunft sein kann – und auch aktiv nutzen sollte. Es wurde bedauert, dass eine kirchliche Stimme auf dem Podium fehlte.
Insgesamt war es ein spannender, meinungsstarker Austausch, der trotz aller Differenzen in der Sache inspirierend und anregend wirkte. Für künftige Runden wäre die Beteiligung kirchlicher Vertreterinnen oder Vertreter wünschenswert, um die ethische Dimension der Klimafrage noch stärker zu beleuchten.
Ein Besuch in der Pauluskirche lohnte sich ebenfalls; dort moderiert unsere Kirchenkreiskantorin Heike Kieckhöfel fast rund um die Uhr popularmusikalische Auftritte ganz unterschiedlicher Ensembles. Workshops und Offenes Singen ergänzten die Angebotes vor Ort und über mangelnde Beteiligung konnten sich die Macher und Macherinnen vor Ort nicht beklagen.
Am Abend dann Entspannung bei "PLATT UP ZACK", plattdeutsches Improtheater aus Nordhorn - witzig, kurzweilig und absolut empfehlenswert.