In der Zwischenzeit – 20.04.2024

Zwischen Ostern und Pfingsten liegen 50 Tage. Vom griechischen Wort „pentekoste“, in dem der 50. Tag nach Ostern steckt, leitet sich das deutsche Wort „Pfingsten“ ab. Im Englischen ist es noch deutlicher: Hier heißt Pfingsten schlicht „pentecost“. 

Fünfzig Tage, das sind fast zwei Monate. Eine lange Zeit, um von der rätselhaften Botschaft zu Ostern (Christus ist auferstanden!?!) bis zur flammenden Begeisterung von Pfingsten (Er ist wahrhaftig auferstanden!!) zu kommen. Wenn der Lehrer in der Schule verkündet: „Heute ist Hitzefrei!“, geht das viel schneller. Da springen sofort alle auf und rufen: „Hurra.!“ - Die ersten Christen sind letztendlich auch beim Hurra-Rufen angekommen, aber das hat um einiges länger gedauert. Erst fünfzig Tage nach Ostern erscheint die kleine Gruppe von Jesus-Anhängern wie elektrisiert, sie zeigen sich in den Straßen von Jerusalem, predigen und feiern und haben ihre Angst vor den Verfolgern verloren. Kurz darauf etabliert sich bei ihnen ein fester Zusammenhalt, ein Gemeindeleben entsteht, zu dem regelmäßige Gottesdienst-Feiern mit Abendmahl, Gleichstellung aller sozialer Gruppen (Arme, Reiche, Skalven, Freie) und Unterstützung der Bedürftigen gehört: Sie treffen sich reihum in den Häusern und haben alles gemeinsam. So schildert die Apostelgeschichte die Anfänge der Kirche. 

Zwischen Ostern und Pfingsten muss sich also etwas entwickelt haben, das die Menschen veränderte. Die Verkündigung der Auferstehung hat sie nicht unmittelbar vom Hocker gerissen; die Botschaft war offensichtlich etwas länger unterwegs, die „Leitung“ länger als beim Hitzefrei in der Schule. Und das ist durchaus verständlich. Ostern ist eine ziemliche Herausforderung - für die damaligen Menschen genau wie für uns heute. 

Damals hat es in dieser Zwischenzeit offenbar in ihnen gebrodelt und gearbeitet. Fünfzig Tage haben sie gebraucht, um vom ersten Aufblitzen einer verrückten Hoffnung zu einer bahnbrechenden Überzeugung zu kommen: Wenn Jesus lebt, dann werden wir auch leben! Egal was passiert! Das große „Hurra!“ war kein spontaner Aufschrei wie aus einem Munde, sondern es hat sich entwickelt. Durch erste, zögernd vorgebrachte Gedanken: „Das könnte doch … das hieße ja … was meinst du denn?!“, über die Bestätigung durch andere: „Habe ich auch gerade gedacht …aber …??“, über die gegenseitige Vergewisserung: „Da ist was dran!“ Ich stelle mir vor, dass aus ganz leisen, unsicheren Anfängen eine immer lautere, immer stärkere, immer selbstbewusstere Botschaft wurde, durch den Austausch mit anderen, durch Begegnungen auf Augenhöhe, durch eine große gemeinsame Anstrengung, das Unmögliche zur Gewissheit werden zu lassen. Dann aber war das „Hurra!“ so laut, dass es um die ganze Welt lief – und bis heute nicht mehr zum Schweigen gebracht werden kann.

In gewisser Weise sehe ich unsere Kirchen immer noch in dieser Zwischenzeit. Zwar feiern wir jedes Jahr Ostern, und 50 Tage später ist Pfingsten. Aber das „Hurra!“ ist mal lauter und mal leiser, und manchmal scheint es ganz verstummt. Von den ersten Christen können wir uns abgucken, was es dafür braucht, die ganz und gar verrückte Hoffnung auf das Ende aller Todesmächte wahr werden zu lassen: Den Austausch mit anderen. Das Fragen, Zweifeln, Hoffen, Glauben, das Feiern und Teilen – und das Zusammenhalten über alle Grenzen hinweg. Das geht nur gemeinsam! Denn – Hurra! - gemeinsam sind wir unschlagbar.

 

Ulrike Sundermann, Backemoor-Breinermoor